Foto: Doris Neubauer

Auf Hundertwassers Spuren

Ins Zentrum der Region Te Tai Tokerau Northland verschlägt es nur wenige auf ihrer Neuseeland-Reise. Ausgerechnet dort, nördlich von Auckland, hat der Künstler Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser seine zweite Heimat gefunden und farbenprächtige Spuren hinterlassen. Und er ist damit nicht allein.

Tāwhirimātea, der Wettergott der indigenen Māori, war uns schon einmal wohlgesonnener: Der Himmel ist wolkenverhangen und die dichten Nebelschwaden tauchen die neuseeländische Stadt Whangārei – zwei Autostunden von Auckland entfernt – in miesepetriges Grau. Nur dem Glanz der goldenen Blätter, die die 90 Quadratmeter große Kuppel des Hundertwasser Wairau (hundert Wasser) Māori Art Centers zieren, können selbst die mächtigen Regenwolken nichts anhaben. „Hundertwasser hat Regentage geliebt“, erinnert Besucher-Guide Pam Tothill an den Künstler, der Neuseeland ab 1974 zu seiner Zweitheimat erklärt hat. „Das Graue lässt alle Farben der Natur stärker strahlen, hat er gesagt.“ Diesem Phänomen zu Ehren gab er sich selbst den Namen Regentag und um die satten Farben zu würdigen, kam noch Dunkelbunt hinzu. Es bezeichnet die Dunkelheit der Farben, wenn sie am weitesten von Weiß entfernt sind.

Wie das aussieht, davon können sich Einwohner*innen und Besucher*innen der Stadt seit Eröffnung des Kulturzentrums im Februar 2022 ein Bild machen. Mit seinem goldfarbenen „Zwiebelturm”, dem begehbaren üppig-grünen Dachgarten und den schiefen Wänden in allen Farben des Regenbogens sticht es aus dem sonst eher weiß-grauen Stadtbild heraus. Die Sprünge in den Bodenfliesen sind gewünscht und in den Mauern haben zwischen Ziegeln Matchbox-Autos genauso ein neues Zuhause gefunden wie perlmuttschimmernde Schalen der neuseeländischen Seeohren-Schnecken. Auch die Straßenlaternen und Bänke sowie der Regentropfen-Brunnen vor dem Gebäude sind Elemente, wie sie in Hundertwassers Architektur von Wien bis Osaka zu finden sind. Dennoch ist das Hundertwasser Wairau Māori Art Center im Zentrum der Region Te Tai Tokerau Northland, dem nördlichsten Zipfel Neuseelands, etwas Besonderes: „Es ist das letzte authentische Hundertwasser-Haus und das erste auf der Südhalbkugel”, versucht die frühere Lehrerin, die mit dem Künstler befreundet war, erst gar nicht, ihren Stolz zu verbergen. Dieser ist durchaus angebracht, schließlich hat es – vom ersten Entwurf des Künstlers im Jahr 1993 bis zur Fertigstellung des Gebäudes – sage und schreibe fast 30 Jahre gedauert.  

Hundertwassers Kunst und Architektur sind aufgrund seines energiegeladenen Stils und seiner Verwendung von Farben sofort erkennbar. Foto: Doris Neubauer

„Von Māori – für alle“

Zuvor hatte bloß ein stilles Örtchen an das Schaffen des Künstlers in Neuseeland erinnert: Das von ihm entworfene farbenprächtige WC in Kawakawa, rund 43 Kilometer von Whangārei entfernt, lockt jährlich bis zu 300.000 Besucher*innen in die Gegend. Deutlich höher sind die Erwartungen an das Kunstzentrum in einer Stadt, die viele bisher nur vom Zwischenstopp auf der Reise in die Bay of Islands oder nach Cape Reinga kannten. Neben Gemälden, Grafiken, Kunstdrucken, Plakaten und Fotografien des Künstlers und Umweltaktivisten soll auch die Kunst der indigenen Māori Gäste anziehen. Dieser Raum zu geben, war ausdrücklicher Wunsch von Hundertwasser. „Es ist die einzige zeitgenössische Māori-Kunstgalerie in Neuseeland und der Welt“, schwärmt Pam Tothill. Der einzige Ort, an dem Besucher*innen von Whangārei der Kultur der Indigenen begegnen, ist es aber nicht. So führt auch der 4,2 Kilometer lange Hātea-Rundgang durch die Stadt vorbei an Skulpturen lokaler Künstler*innen wie dem Schnitzer Te Warihi Hetaraka. Unter dessen Federführung wurde vor vier Jahren das Kulturzentrum „Hīhīaua“ eröffnet, in dem die Identität und Kultur der Māori „reclaimed, restored and renewed“ (zurückgefordert, wiederhergestellt und erneuert) werden und für alle zugänglich gemacht werden sollten. Was als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum nur wenige hunderte Meter vom Hundertwasser Wairau Māori Art Center entfernt seinen Anfang nahm, wird derzeit um Werkstätten, Räumlichkeiten für Events und ein Café erweitert.

(Dunkel-)Buntes Allerlei

Von einer der ältesten Kapellen Northlands über eine ausrangierte Eisenbahnstation bis hin zu einem ehemaligen Frauengefängnis: Platz hat, was gefällt, scheint das Motto von „Kiwi North“ am Rand von Whangārei zu lauten. Doch die bunt zusammengewürfelten historischen Gebäude sind nicht die wahre Attraktion. Der vermutlich größte Schatz befindet sich im hintersten Teil des Haupthauses: In Northlands einzigem nachtaktiven Gehege können Interessierte Kiwi-Vögel aus der Nähe sehen. „Manche Leute sitzen einen halben Tag hier, um sie zu beobachten“, erklärt Irene Hamlin, die seit zwei Jahrzehnten bei Kiwi North tätig ist. Vor allem zu den Fütterungszeiten kommen die flugunfähigen Vögel, die als Nationaltiere Neuseelands gelten, aus dem Bau. „Darauf sind die Kiwi aber nicht angewiesen“, meint Irene, während „Pingu“ und „Disco“ – so die Namen der aktuellen Bewohner – mit ihren Schnäbeln die Glaswand nach Mehlwürmern abtasten, „sie können mit dem überleben, was sich im Gehege befindet.“ Um das natürliche Habitat abzubilden, regnet es zweimal pro Woche und die Pflanzen verändern sich je nach Jahreszeit. „Die Kiwi kommen mit sechs bis acht Monaten zu uns und gehen im brutfähigen Alter entweder in Brutprogramme oder werden freigesetzt“, weiß die Expertin. „In freier Wildbahn werden Kiwi durch Hermeline, Katzen und andere Raubtiere bedroht. Orte wie wir geben ihnen eine bessere Überlebenschance.“

Foto: Doris Neubauer

Der Schutz von Tieren, Natur und Mutter Erde, das Kaitiakitanga, liegt Māori wie auch Pākehā (Neuseeländer europäischer Abstammung) im Blut. Zu bewahren haben sie in Northland einiges: von der Inselgruppe Poor Knights mit ihrer türkisfarbenen Unterwasserwelt über die Meereshöhle Rikoriko, von den weißen Sandstränden entlang der Tutukaka Küste bis zum Ārai Te Uru Naturreservat mit Ausblick auf den Hafen von Hokianga, von den weiß-grauen Basaltgesteinen der Wairere Boulders bis zum tiefgrünen Puketi Wald nahe der Stadt Kerikeri. Auch die unberührten Thermalwasser der Ngawha Quellen bei Kaikohe – eine Autostunde nördlich von Whangārei – sollen für künftige Generationen erhalten bleiben. 16 Becken mit Namen wie Bulldogge, Doktor und Salomon, die sich in Temperatur, Mineraliengehalt, Heilkraft und Blauschattierung voneinander unterscheiden, laden zum Abtauchen ein. Wie alles in te ao Māori haben auch die Ngawha Quellen ihr eigenes Whakapapa (Genealogie): Seit dem 16. Jahrhundert gehören die heißen Becken, die der Legende nach mit den Vulkanen auf Hawaii verbunden sind, zum Kulturgut der örtlichen indigenen Bevölkerung.

Begegnung mit den Göttern

Deren Geschichte in Te Tai Tokerau Northland reicht noch länger zurück: Vor rund 800 Jahren ist der Seefahrer Kupe als einer der Ersten den Sternen gefolgt und von Hawaiki nach Neuseeland gesegelt. „He ao, he ao, he aotea, he Aotearoa!”, soll seine Frau Kuramārōtini beim Anblick der Inseln gerufen und ihnen so den Namen „Aotearoa“ („Lange weiße Wolke“) gegeben haben. Anker gesetzt hat Kupe ausgerechnet im stürmischen Hafen von Hokianga. Seine turbulente Reise und die abenteuerliche Landung können Besucher*innen in Opononi, etwa 50 Kilometer nord-westlich der Ngawha Quellen, im 4D-Theater von Manea Footprints of Kupe mit allen Sinnen nacherleben: Da bläst einem 75 Minuten lang eine steife Brise um die Nase und die Tentakel des Oktopus, den der Polynesier der Legende nach jagte, winden sich um die Gliedmaßen. Doch Manea Footprints of Kupe ist mehr als ein modernes Spektakel. „Die Menschen sollen verstehen, woher wir Māori kommen und wer wir sind“, erklärt Matua John Klaricich die Intention von Kupes Nachfahren, dem Stamm Ngā Puhi. Das Kulturzentrum ermöglicht ein erstes Eintauchen in te ao Māori, die traditionelle Welt der Māori mit Waiata (Gesängen), Tikanga (Sitten) und Whakairo (Schnitzereien) und – nicht zu vergessen – den sagenumwobenen Atua (Göttern).

Einen davon kann man ganz in der Nähe von Opononi von Angesicht zu Angesicht treffen: Mit 51 Metern Höhe kaum zu übersehen, steht Tāne Mahuta, der größte unter Neuseelands Kauri-Bäumen, im Wald von Waipoua. Schon an sonnigen Tagen ist der rund 2.500 Jahre alte Waldgott beeindruckend. Noch eindrucksvoller wird die Begegnung dann, wenn sein Bruder Tāwhirimātea, der für Wind und Wetter zuständig ist, trübe Regenwolken aufziehen lässt und die Umgebung im Nebel versinkt. Es ist dieses Grau-in-Grau, das das Grün der hochragenden Wipfel von Tāne Mahuta so richtig zum Leuchten bringt. Dunkelbunt, wie Hundertwasser vermutlich sagen würde.

Foto: Doris Neubauer

HUNDERTWASSER VON WIEN BIS OSAKA

Hundertwasser können wir an vielen Orten begegnen - in Österreich vom Hundertwasserhaus Wien über die Müllverbrennungsanlage Spittelau bis zum KunstHausWien; von der Autobahnraststätte Bad Fischau-Brunn über das Hügelwiesenland Rogner Bad Blumau bis zur St. Barbara Kirche in Bärnbach; vom Spiralfluss Trinkbrunnen I in Linz bis zum Österreichbrunnen in Zell am See - oder am Wasserwunderweg bei Zwettl: Vom Zwettler Stadtzentrum geht es durch eine 12 Kilometer lange Flusslandschaft entlang des Kamps Richtung Roiten. Höhepunkte der Wanderung sind der Hundertwasserbrunnen beim Startplatz am Zwettler Hauptplatz, die Hundertwassermühle und das vom Künstler gestaltete Dorfmuseum in Roiten.

In Deutschland sind die Hundertwasserhaus Waldspirale in Darmstadt, der Hundertwasserbahnhof in Uelzen, die Grüne Zitadelle in Magdeburg, das Ronald McDonald Haus in Essen und der Kuchlbauer-Turm in Abensberg sehenswert!

Links zu weiteren Hundertwasser-Orten:

Schweiz: Markthalle Altenrhein
Niederlande: Ronald McDonald Kinder Vallei, Valkenburg aan de Geul
USA: Quixote Winery, Napa Valley
Israel: Spiralfluss Trinkbrunnen II, Tel Aviv
Japan: MOP Maishima Verbrennungsanlage und Kids Plaza in Osaka
Neuseeland: Hundertwasser Art Centre and Wairau Māori Art Gallery, Hundertwasser-Wohnhaus und Galerie in Kaurinui (livinghundertwasser.nz)

Autorin: Doris Neubauer

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Hinweis: Die Reise wurde unterstützt von NorthlandInc, Hundertwasser Art Centre and Wairau Māori Art Gallery und Kiwi North. Die Autorin lebt in Neuseeland.

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zuletzt geändert am 22.02.2024

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